„Wenn er mich nicht mehr erkennt, was bringt das?“
Empirische Einblicke in die Potenziale und Grenzen von Freundschaften zwischen Menschen mit und ohne Demenz
DOI:
https://doi.org/10.60837/curare.v42i1+2.1624Schlagworte:
Demenz, Alzheimer, Freundschaft, soziale Beziehungen, AlterAbstract
Freundschaft wird im sozialwissenschaftlichen Diskurs meist als freiwilliges, reziprokes Tauschverhältnis zwischen zwei Personen, die sich auf Augenhöhe begegnen, definiert. Unter einem solchen Blickwinkel erscheinen Freundschaften im Kontext von Demenz zunächst unvereinbar. Der Artikel wirft ein kritisches Licht auf normative Freundschaftsdefinitionen und zeigt anhand empirischer Beispiele Möglichkeiten und Grenzen von Freundschaften unter sich verändernden Bedingungen auf. Anhand der Narrative von drei Männern, die jeweils eine freundschaftliche Beziehung zu einem Menschen mit Demenz praktizieren, kann gezeigt werden, dass Freundschaften Asymmetrien und Ungleichgewichten durchaus standhalten. Freunde haben eine zentrale Integrationsfunktion für demenzbetroffene Personen, indem sie sicherstellen, dass diese weiterhin an gesellschaftlichen Teilbereichen mitwirken können. Zudem übernehmen sie in der interaktiven Herstellung und symbolischen Aufrechterhaltung der Beziehung eine aktive Rolle. Der Artikel zeigt auf, dass sich freundschaftliche Beziehungspraktiken im Kontext von Demenz nicht nur verändern, sondern dass aufgrund des besonderen Kontextes auch neue Freundschaften entstehen können. Jedoch sind die Beziehungen auf Dauer fragil und drohen, auseinanderzubrechen. Schreitet die demenzielle Erkrankung voran, fühlen sich Freunde in der Verantwortungsübernahme um das körperliche Wohl des anderen oder in der Kommunikation zuweilen unsicher und überfordert. Im Hinblick auf die sozialpolitische Rahmung von Freundinnen und Freunden als Unterstützungsressource für Menschen mit Demenz im Alltag, plädiert der Artikel für eine differenzierte Betrachtung der Beziehungsform.
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