Ärzt*in, Patient*in und ein digitaler Dritter: Wie eine online-gestützte Informationstechnologie ärztliche Beratungen standardisiert und personalisiert

Ärzt*in, Patient*in und ein digitaler Dritter

Wie eine online-gestützte Informationstechnologie ärztliche Beratungen standardisiert und personalisiert

Autor/innen

  • Christine Schmid Technische Universität Berlin, Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft
  • Frauke Mörike Technische Universität Berlin, Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft
  • Markus A. Feufel Technische Universität Berlin, Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft

DOI:

https://doi.org/10.60837/curare.v45i1.1512

Schlagworte:

Digital Health, digitale Medizintechnologien, Arzt-Patienten-Interaktion, Mensch-Technik-Interaktion, qualitative Versorgungsforschung

Abstract

Computerbasierte Informationstechnologien, die zur Gestaltung von Inhalten und Abläufen ärztlicher Beratungsgespräche eingesetzt werden, erhalten bisher erstaunlich wenig sozialwissenschaftliche Aufmerksamkeit – trotz des generell sehr großen Forschungsinteresses sowohl an Digitalisierung im Bereich der Gesundheitsversorgung als auch an Ärzt*innen-Patient*innen-Interaktionen. Gerade Technologien, die für eine maßgeschneiderte Informationsvermittlung oder zur strukturierten Erklärung unterschiedlicher Therapiemaßnahmen genutzt werden, bleiben bisher nur ausschnitthaft untersucht. Unser Beitrag diskutiert, wie sich das traditionell dyadisch gedachte Ärzt*in-Patient*in-Gespräch durch digitale Informationssysteme verändert, wenn diese nicht nur zur Dokumentation, sondern zur inhaltlichen und strukturellen Unterstützung des Beratungsgesprächs und damit als dritter Akteur eingebunden sind. Anhand von empirisch ethnografischem Material zu einem online-gestützten, digitalen Beratungstool für die familiäre Krebsberatung – iKNOW – beschreiben wir, wie verschiedene Relationen zwischen Ärzt*innen, Ratsuchenden und dem Beratungstool entstehen. Wir führen insbesondere aus, wie durch das Beratungstool verschiedenes Wissen, verschiedene Akteurspositionen und verschiedene materielle Arrangements situativ relevant werden – und dadurch letztlich verschiedene Formen der Beratung durch das Tool als digitalem Dritten ko-produziert werden. Dabei wird deutlich, dass sich zwei scheinbar gegensätzlichen Motive durch die Beratungen mit digitalem Dritten ziehen: die Standardisierung der medizinischen Versorgung einerseits und deren Individualisierung bzw. Personalisierung andererseits. Das digitale Beratungstool aktiviert dabei verschiedene Formen von Standardisierung und Personalisierung und hilft diese im Sinne einer „situierten Standardisierung“ zu verknüpfen (Zuiderent-Jerak 2007: 316, Übersetzung CS). Das Tool fungiert somit als „wissenschaftlicher Sammelpunkt“ (Timmermans & Mauck 2005: 26, Übersetzung CS) über den die verschiedenen Formen und Prozesse von Standardisierung und Personalisierung durch die Moderationsleistung der Ärzt*innen situativ zusammengefügt und damit bedarfsgerecht und patient*innenzentriert in das Beratungsgespräch integriert werden können.

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Veröffentlicht

2022-01-01

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